Seit einigen Jahren bin ich nun in der Hochbegabtenförderung tätig, unter anderem bei der Deutschen Schülerakademie, und eine Frage, die meine Mitstreiterinnen und Mitstreiter und mich immer wieder bewegt, ist die nach der Balance zwischen Freiraum und Planung. Wie viele Vorgaben müssen wir machen?

Als Mensch wachsen kann ich nur, wenn ich eigenverantwortlich handeln kann. Ich brauche also Freiraum. Friedrich Schiller sagt, Freiheit kann man nicht geben, nur lassen. Für uns als Leitungsteam einer Sommerakademie bedeutet das, dass wir auf bestimmte Kontrollinstrumente verzichten. Es gibt zum Beispiel zwar eine Nachtruhe, aber keine Bettruhe. Das Staunen und das Grinsen eines Jugendlichen ist wunderbar, wenn man ihm sagt, dass er tatsächlich die ganze Nacht mit seinen neuen Kumpels Fußball spielen darf (solange er um 8:30 Uhr morgens im Plenum anwesend ist). Gleich in meinem ersten Jahr habe ich von Hartmut Rosa, einem der dienstältesten Akademieleiter (und, richtig, dem Beschleunigungs- und Resonanztheoretiker, der sicher auch auf Ihrem Bücherregal steht), den Satz aufgeschnappt: „Kriegt ihr hin.“ Wir sagen ihn so oft, wenn die Teilnehmenden uns zaghaft etwas fragen oder wenn wir sie um etwas bitten. Er ist für mich ein wichtiger Teil der DSA-Philosophie in Kürzestform. Klappt schon. Klappt auch tatsächlich.

Freiraum heißt andererseits aber nicht, dass wir keine Vorgaben machen. Wenn sich das Leitungsteam komplett zurückzieht, signalisiert es Indifferenz. Es geht nicht mit gutem Beispiel voran. Sie schafft keinen Freiraum, sondern einen Leerraum. Es entmutigt die Jugendlichen. Wer hinter den Kulissen dabei ist, merkt schnell, dass die magischen Momente nur deshalb zustande kommen, weil sich das ganze Team einschließlich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bonner Zentrale ein Jahr lang Gedanken gemacht hat. Und weil man aus den gut dokumentierten Erfahrungen vergangener Jahre immer wieder lernt. Und weil wir detaillierte Pläne gemacht haben. Es ist kein Zufall, dass die Exkursion an Tag 6 stattfindet und das öffentliche Konzert an Tag 15; dass mittendrin die geballte Kursleitung an Tag 10 bei einem Sportturnier gegen die Jugendlichen antritt; dass neben der Tür zum Büro des Leitungsteams ein Flipchart steht, auf dem man blöde oder gar nicht so blöde Fragen beantworten kann; dass jeden Tag eine Stunde lang Teamsitzung ist. Und so weiter. Millionen kleiner (und großer) Entscheidungen wirken sich auf den Akademieverlauf, auf die Stimmung und auf das Energielevel aus.

Das sind also die beiden Pole. Und die kennen auch Lehrende, die nicht bei Sommerakademien mitmachen. Im Großen wie im Kleinen stellt sich die Frage, wie viele Vorgaben man als Lehrender oder Lehrende zu machen hat. Und diese Frage untersuche ich jetzt in einem Essay für Heft 142 von Labyrinth, der Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind.

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