Fremdsprachenkenntnisse stehen in diesen globalisierten Zeiten im Mittelpunkt des Interesses. Zum kommenden Tag der Muttersprache am 21. Februar drehe ich den Spieß um! 10 Thesen zu unserer ganz eigenen Sprache:
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Ein guter Übersetzer beherrscht seine Muttersprache besser als die Sprache, aus der er übersetzt. Immerhin schreibt er einen Text in seiner Muttersprache!
- Auch Muttersprachler machen Fehler. Jedenfalls sind sie oft unsicher: Trotz dem schönen Wetter oder trotz des schönen Wetters? Kaffee mit Ihnen zu trinken hat mir Spaß gemacht – oder war da ein Komma nötig? Keiner ist perfekt. Aber: Es gibt bestimmte Fehler, die Zweitsprachler sehr viel häufiger machen als Muttersprachler.
- Selbst die besten Nicht-Muttersprachler verraten sich irgendwann, und zwar meistens durch eine Sprachmelodie, die eher zu ihrer eigenen Sprache gehört, oder durch einzelne Wörter, die stilistisch aus dem Sprachfluss herausstechen, indem sie zum Beispiel sehr viel umgangssprachlicher sind als der Rest der jeweiligen Äußerung.
- Was ein Fehler ist, hängt auch vom Sprecher ab. Wer erinnert sich nicht noch an den Satz seines Lateinlehrers: Wenn Caesar das schreibt, ist es ein Stilmittel; bei Dir ist es einfach falsch.
- Die Muttersprache fängt als Kindersprache an. Kinder haben ihren eigenen Wortschatz, und Eltern benutzen im Gespräch mit Kindern Wörter, die sie sonst nicht gebrauchen. Irgendwann stellt wohl jedes Kind seiner Mutter die Frage: Gibt es dieses oder jenes Wort wirklich, oder sagen nur wir das?
- Jeder Mensch hat seine eigene Muttersprache. Jeder hat sprachliche Eigenheiten, an denen man ihn erkennen kann. Das mag die Aussprache angehen, den Satzbau oder den Wortschatz. Im Unterschied zum (regionalen) Dialekt und dem (nach sozialen Schichten unterscheidenden) Soziolekt spricht man hier von einem „Idiolekt“ – der persönlichen „Sprache“ des Einzelnen. Der Tag der Muttersprache ist also auch der Tag meiner Muttersprache.
- Die eigene Sprache kann man selbst nie so recht einschätzen. Wer eine Tonaufnahme der eigenen Stimme hört, ist überrascht. Und wer seinen eigenen Sprachstand einschätzen soll, weicht damit oft von der Meinung anderer ab. Der Komponist Paul Hindemith wurde von einer seiner Studentinnen gefragt, welchen Dialekt er spreche. Ernst sagte er: „Ei, Hochdeutsch!“ – allerdings in breitestem Frankfurterisch.
- Was richtig ist, steht vielleicht gar nicht fest. Im Bezug auf das Deutsche sind sich zwar viele einig, was „richtig“ ist und was nicht, aber eine offizielle, zentrale Instanz gibt es weder im Hinblick auf Rechtschreibung noch auf Grammatik oder Aussprache. Das Hannoveraner besonders gutes Deutsch sprächen, sagen sie vielleicht gern selbst. Aber was wir als Aussprache-Standard empfinden, stammt eher von der seit dem 18. Jahrhundert überregional einheitlicher werdenden Bühnensprache des Theaters als von der Leine.
- Viele haben mehr als eine Muttersprache. Selbst in sehr liberalen Ländern kann man nur eine Mutter haben, aber in vielen sehr konservativen Ländern haben die Menschen mehrere Muttersprachen. Wer in Kamerun aufwächst, geht meistens gleich mit drei Sprachen an den Start. Dass wir Deutschen in der Regel nur eine Muttersprache haben, hängt mit der Nationalstaatspraxis des 19. Jahrhunderts zusammen. Die europäische Einigung und die Arbeitnehmerfreizügigkeit führen hier zu Veränderungen.
- Es gibt auch die sprachliche Freizügigkeit, nämlich eine Art Arbeitnehmerfreizügigkeit für eine ganze besondere Berufsgruppe: Der Hochadel genoss diese Freiheit schon immer und ist von Alters her ein großer Sprachexporteur. Englands König Georg I. sprach Deutsch (er kam aus Hannover), ebenso die russische Zarin Katharina die Große – sie wurde als Sophie von Anhalt-Zerbst in Stettin geboren. Ihr Bild hängt übrigens im Büro von Angela Merkel, die derzeit oft Gelegenheit hat, ihr Russisch zu trainieren.
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Und damit sind wir wieder bei den Fremdsprachen. Klar ist aber jetzt: Fremdsprachen sind wichtig, weil sie immer die Muttersprache des Anderen sind. Denken wir am Tag der Muttersprache dran!