Die Bäume sind zurechtgeschnitten, sodaß sie nicht mit den Oberleitungen in Berührung geraten. Die hölzernen Häuser, viele mit Fahne, jedes mit Garten, stehen in verschlossener Zurückgezogenheit. Aber eigentlich ist es nur eine Wand, die innen und außen trennt, ein bißchen Glas und blinde Konventionen.
In einer Serie von Gedichte gehe ich der zarten Differenz zwischen Innen und Außen nach, anhand von Beobachtungen in Durham und anderen Orten in North Carolina, wo ich seit 2006 lebe. Bisher sind vier Gedichte entstanden, die von Timothy J. Senior illustriert wurden.

Ruffin Street

Ruffin Street ist jene Straße, auf der ich zuerst gewohnt habe. Öffentlicher Raum (soweit man in einem Wohngebiet ohne Bäckerei, ohne Krämerladen oder Zeitungsstand, ohne Lokal und Spielplatz überhaupt davon sprechen kann) und privater Raum sind nur notdürftig voneinander getrennt, und wohl hauptsächlich dadurch, daß ersterer sich gleichsam ständig dafür entschuldigt, daß er überhaupt da ist. In Timothy J. Seniors Illustration zu diesem Gedicht bilden die Bäume (Kiefern, Kiefern) eine Art von Bühnenraum, während die Häuser, eigentlich innen, zu Außenstehenden, Zuschauern werden. Die Bühne ist freilich leer.

Wilmington / Carolina Beach

‘Carolina Beach’, das auch auf dieser Seite abgebildet ist, zeigt ein Pier, von dem aus Fischer ihre Angeln auswerfen. Auch der Raum unterhalb des Piers erscheint wie ein leerer Bühnenraum, während die Oberseite, auf der Menschen einander beobachten und miteinander wetteifern, unsichtbar bleibt. Selbst dort oben ignorieren sich die Menschen aber oft eher als daß sie einander helfen.

Watts Street

Die Stämme vieler alter Bäume, die die Straßen flankieren (fast jede Straße ist eine Allee), sind so zurechtgeschnitten, daß die Oberleitungskabel gefahrlos hindurchgespannt werden können. Die Straßenbeleuchtung hängt in den Körper eines Baumes hinein, gleichsam in den Brustkorb, der das Licht schützt, davon aber, besonders im Herbst, schimmernd erleuchtet wird. Wie ein schlagendes Herz bleibt das Licht beschützt.

OsirisLKK13_coverDie ersten Gedichte aus diesem noch längst nicht beendeten Zyklus sind 2008 in der Zeitschrift Osiris erschienen (Heft 67).

In der Frankfurter Zeitschrift L. Der Literaturbote (Heft 95) erscheinen im Winter 2009 vier Gedichte.

Das Wilmington-Gedicht wurde von Matthias Kehle im Juni 2009 in seinem Blog vorgestellt.

Ein weiteres Gedicht über Bau- und Wiederaufbau-Arbeiten in der Innenstadt von Durham erschien in der 13. Ausgabe der Zeitschrift Krachkultur.