Modernes GlaubensbekenntnisDas mit der Lutherdekade 2017 zusammenhängende Projekt “Pausenpoesie” hat einige Autorinnen und Autoren gebeten, über den Glauben nachzudenken und ein modernes Glaubensbekenntnis zu schreiben. In der Karwoche liegt das nahe.

Was passiert hier gerade? Wir gedenken des Todes und feiern in diesen Tagen dann die Auferstehung. Was heißt “wir”? Das ist natürlich schwer zu sagen. Allerdings ist auch schwer zu sagen, was “Tod” und “Auferstehung” heißen. Unser wissen vom Tod ist begrenzt. Mit Informationen ist uns letztlich wenig geholfen. Vielmehr wirft er die Frage auf, was wir von uns selbst und von anderen erwarten. Was unser “Ziel” ist. In diesen Tagen liegt ein alter Freund im Krankenhaus, eine gute Freundin ist gerade nach einer schweren Operation entlassen worden. Dass uns Grenzen gesetzt sind, sehen wir im Alltag oft nicht. Dass wir zugleich gesegnet, begleitet und behütet sind, erfahren wir manchmal. Beides wirft die Frage nach dem auf, was wir nicht nur wissen und annehmen, sondern glauben.

Für das Lyrikprojekt der Lutherdekade habe ich einen Text geschrieben, der dort zuerst erschienen ist und den ich auch hier gern mitteile. Wer antworten will, gern!

Ich glaube noch an den Glauben, und ich glaube
noch an Gott. Ich glaube auch an die Tatsachen,
die der Lügner verschweigt, entstellt oder gar nicht kennt.
Ich glaube noch an meine Freunde, die keine
Zweifel an mir hegen. Ich glaube, dass wir uns
den meisten Fragen nicht stellen, auch denen nicht,
auf die wir eine gute Antwort geben. Ich glaube,
dass wir uns zu tief in unserer Sichtbarkeit verbergen.
Ich glaube, wir bleiben einander vertraut,
auch wenn wir einander eine Zeitlang schutzlos
uns selbst überlassen. Ich glaube, wir kommen nicht voran,
aber ich glaube auch, vor der letzten Frage stehen wir
ohne Schuld. Ich glaube, wir ermessen niemals
den Umfang unserer Unbescheidenheit. Ich glaube,
wir füllen die Zeit nicht aus. Ich glaube nicht mehr,
dass ich es besser weiß. Ich würde so gern glauben,
dass uns nicht beschämen wird, was uns bevorsteht.

 

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Gedichte über Freundschaft, Gedichte über FreiheitMeet Your Party

Gedichte über Freundschaft und Freiheitin einer Welt, in der wir allzu oft allein sein und immer schon einbezogen in Machtkämpfe, die wir kaum erkennen. Die 49 Gedichte erscheinen auf Deutsch und auf Englisch. Viele beziehen sich auf Menschen und Orte in Kanada, den USA und England. Am Schluss des Buches stehen sieben düstere Gedichte über Untergänge, das Scheitern, den Schiffbruch, inspiriert von Werken Anselm Kiefers.

Tom Nolan hat alles übersetzt, Timothy J. Senior hat das Buch illustriert. Die Gedichte sind von mir, stehen aber in der Schuld von Freunden und Fremden an vielen Orten.

Christophe Fricker
Meet Your Party
Gedichte / Poems
Übersetzung: Tom Nolan
Illustration: Timothy J. Senior

Dresden: Edition Azur
120 Seiten, 17,90 EUR

ISBN: 978-3-942375-17-7