Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten stellt Research und Wissen und die postfaktische Welt vor zwei Herausforderungen: 1. Warum hat fast keine Prognose diesen Sieg vorhergesagt und was sagt das über quantitative Vorhersagen generell aus? 2. Wie geht es weiter in einer Welt, in der nun nach dem Brexit zum zweiten Mal eine wichtige Abstimmung zugunsten postfaktischer Politik entschieden wurde?

Die erste Herausforderung nach dem Sieg von Donald Trump hat damit zu tun, dass fast kein Meinungsforschungsinstitut oder Massenmedium diesen Sieg vorausgesagt hat. Das mag damit zusammenhängen, dass sich viele Mitarbeiter der entsprechenden Organisationen ein anderes Ergebnis gewünscht hätten; die richtige aber ist, dass die durch eine Vielzahl außerordentlich feinkörniger quantitativer Analysemethoden gewonnenen Zahlen dieses andere Ergebnis auch erwartet erscheinen ließen. Institutionen, die quantitative Sozialforschung in einem weiteren Sinn betreiben, sind in der Lage, unsere Gesellschaft mit sehr ausgefeilten Methoden zu modellieren. Diese Modelle haben nun bereits mehrmals dramatisch versagt. Nate Silver, der amerikanische Umfragen-Guru, wies zwar in den vergangenen Wochen immer wieder darauf hin, dass Trump eine reelle Gewinnchance besitze, doch wurde diese eben für relativ unwahrscheinlich gehalten. Und in mehreren Swing-States, vor allem den Rustbelt-Staaten Ohio und Wisconsin, lagen die Modelle erheblich daneben.

Hier zeigt sich das grundsätzliche Dilemma: Eine Wahl oder ein Referendum produziert ein eindeutiges Ergebnis. Trump oder Clinton.  Leave oder Remain. Große Koalition oder Linksregierung. Diese eindeutigen Entscheidungen, nicht die ausgefeilten Probabilitäten, bestimmen die Rahmenbedingungen unseres zukünftigen Handelns. Und diese eindeutigen Entscheidungen haben sich nun schon mehrmals der Vorhersage entzogen. (Anders ist die Situation übrigens mit Bezug auf die AfD, deren Abschneiden sich relativ gut vorhersagen ließ.)

Das liegt im konkreten Beispiel unter anderem daran, dass sich aus Gründen, die bisher kaum analysiert wurden,  mehr Frauen und mehr Hispanics für Trump entschieden, als erwartet wurde.

Besonders die quantitative Forschung zu Zielgruppen und entscheidungsrelevanten Wertvorstellungen muss ihre Methoden auf den Prüfstand stellen, wenn sie treffsichere Handlungsempfehlungen geben will.

Postfaktische Entscheidungsfindung

Die zweite Herausforderung liegt darin, dass zum ersten Mal ein Vertreter der postfaktischen Politik an die Spitze einer westlichen Regierung gewählt wurde. (Das Brexit-Referendum sorgte zwar für ein Stühlerücken im britischen Kabinett, aber alle wichtigen, für den Brexit zuständigen Minister sowie auch die neue Premierministerin May hatten bereits vorher Regierungsverantwortung.)

Politiker sind schon in der Vergangenheit immer auch ihren Instinkten gefolgt, aber wenn sie gegen besseres Wissen gehandelt haben, so war dieses Wissen doch immerhin erst einmal vorhanden. Wer sich als Politiker gegen Fakten und objektive oder kritische Meinungen abschottet, kann seine Machtposition dauerhaft nur gewaltsam verteidigen.

Wenn es stimmt, dass Donald Trump nur eine sehr kleine Aufmerksamkeitsspanne hat, und wenn der Eindruck nicht täuscht, dass er wenig willens ist, sich mit abweichenden Meinungen konstruktiv auseinanderzusetzen, und wenn er tatsächlich bereit ist, rechtsextreme oder russische Propagandamedien nicht nur als Stimmungsbarometer, sondern als Informationsquelle heranzuziehen, werden sich ganz neue gesellschaftliche Konfliktlinien ergeben.

Denn gegen ein realitätsfernes Politikverständnis werden sich nicht nur liberale Intellektuelle wehren, sondern auch jene weißen Arbeiter in prekärer ökonomischer Lage, die sich von Trump gerade mehr Aufmerksamkeit für ihr tatsächliches Schicksal erhoffen.

Allein dass sie ihre Hoffnung auf einen Oligarchen setzen, mag paradox erscheinen. Welche Wahl ihnen bleibt, wenn sie auch von ihm enttäuscht werden, ist noch völlig offen.